In den Wintermonaten ist die Provence ein Geheimtip: Die beliebten Märkte gehören wieder ganz den Einheimischen, der Trubel des Sommers ist einer entspannten Ruhe gewichen. Obwohl es sogar die Möglichkeit zum Wintersport gibt - am Mont Ventoux befindet sich eines der ältesten Skigebiete Frankreichs - ist die Gegend alles andere als winterlich. Dass der Schnee bis in die tieferen Lagen fällt ist die Ausnahme und der Anblick schneebedeckter Lavendelfelder ist ebenso zauberhaft wie selten.

Auf dem Mont Ventoux sieht das schon anders aus: Hier ist der Gipfel bis in den Mai hinein gesperrt und Revier für die vom Skigebiet Mont Serein gestarteten Tourenski- und Schneeschuhwanderer. In Mont Serein gibt es auch Skilifte und sobald genügend Schnee liegt strömen die Skifahrer der Gegend zum Ventoux. Es kann also durchaus voll werden in dem kleinen Skigebiet. Schneesicher ist Mont Serein natürlich nicht, deshalb unbedingt vorher die Website kontaktieren (www.stationdumontserein.com).

Selten ist die Provence so winterlich wie 2011 bei Sault
Selten ist die Provence so winterlich wie 2011 bei Sault

Herrlichster Sonnenschein am 1. Januar 2017
Herrlichster Sonnenschein am 1. Januar 2017
Der schneebedeckte Gipfel des Mt. Ventoux
Der schneebedeckte Gipfel des Mt. Ventoux

Im milden Winter lädt häufig strahlender Sonnenschein und ein wolkenloser Himmel zum Wandern oder zu Ausflügen in die touristenarmen Orte der Umgebung  ein (weshalb auch viele Restaurants geschlossen haben!). Nachdem der Nachtfrost die Wiesen freigegeben hat, kann man Schal und Handschuhe ablegen und die  angenehmen Temperaturen genießen.


Und auf Le Rourebeau ist es sowieso mollig warm, sind die Ferienhäuser doch mit modernen Pelletsöfen ausgestattet: Was gibt es Schöneres als nach einem Tag in der klaren Luft der Provence mit einem Glas Wein vor dem lodernden Kaminfeuer zu sitzen?

Tipp:

Fahren Sie über Malaucène ins Skigebiet von Mont Serein (bis zum Campingplatz) und erwandern sie den Gipfel oder die Flanke des Mt Ventoux im Schnee. Die GR 4 und 9 beginnen gleich rechts vom Campingplatz und sind mit Schneeschuhen (franz. ›raquettes‹, bekommt man im Skiverleih in Mt Serein) oder zur Not mit festen Wanderschuhen (Spikes!) gut zu bewältigen. Weitere Schneeschuh-Wanderwege sind ab Mt Serein ausgezeichnet. Beachten sie beim Gipfelanstieg (GR 4) die Lawinenwarnungen!

26. März. 2018: Schneeschuhwandern am Mt Ventoux und die Frühlingssonne auf Le Rourebeau genießen am selben Tag!
26. März. 2018: Schneeschuhwandern am Mt Ventoux und die Frühlingssonne auf Le Rourebeau genießen am selben Tag!

Die Schönheit der winterlichen Provence hat schon Kurt Tucholsky beschrieben, der 1925 vom kalten Paris in den Süden reiste:

Kurt Tucholsky: Reise durch die Jahreszeiten

In Aix auf der Chaussee schien die Sonne. Der kleine Taschenkalender zeigte auf Winter, aber das Land lag in dem hellen Licht eines Vorfrühlingstages – reingefegt die Wege, strahlende Wärme, die meisten Bäume kahl, aber mit einem hellen, grünlichen Schimmer um die Spitzen. Der Himmel war weißlich-blau, es spritzte nur so von Licht.

Die Provence ist keine französische Provinz wie die anderen. Der Boden scheint nicht aus Erde gefügt; es wunderte einen nicht, wenn er plötzlich zu atmen anhübe wie ein unendlicher Leib. Das Land blüht einem entgegen, willig und weich streckt es sich gegen den Himmel. Große Wälder sind selten; aber überall sind kleine Büsche und Baumgruppen aufgebaut, mitunter auch ist eine ganze Strecke Landes bewaldet weich, abgerundet, fast immer wie ein verwilderter Park. Hell strahlte die Sonne, im November. Nichts von November

Aix-en-Provence, Le cours Sextius
Aix-en-Provence, Le cours Sextius

Nîmes, Porte Auguste
Nîmes, Porte Auguste

Ein paar Stunden nach Osten, in Nimes, ist tiefer grauer Herbst. Das ist nun schon nicht mehr die Provence. Die Wolken liegen ganz tief auf der Stadt, ein schneidender Regenwind heult um die Ecken. Und als die Sonne wieder hervorkommt, beleuchtet sie einen bunten, fröhlichen Herbsttag, klar, kräftig, mit frischem Hauch bis tief in die Lungen erfrischend. Die alte römische Arena bleibt liegen, wo sie liegt, auch die alte Pforte des Augustus – heute ist Mittelalter. Haben Sie einmal die zahllosen kleinen Bilderchen von Doré zu Balzacs ›Contes Drolatiques‹ gesehen? Diese Hunderte von kleinen Holzschnittchen, auf denen würdige Äbte ihren Bauch durch die Landschaft schieben und die stolzen Ritterfräulein mit den hohen spitzen Hüten aussehen wie die Medizinflaschen mit weißen Rezepten dran? Wo die kleinen Ritter zu Tausenden einen steilen Abhang herunterkegeln und ein anonymes Schwert, aus einer Mauer herausschlagend, den getreuen Knappen in zwei


bis drei Teile zerspaltet? Auf denen sind fast immer Burgen zu sehen, Burgen mit Zinnen, einer Zugbrücke und dicken, bauchigen Festungstürmen, geradezu gemütlichen Befestigungen . . . So ein Mittelalter war das.

Und so ein Mittelalter steht noch heute.

Aigues-Mortes, eine ganz kleine Stadt, die zwischen Nimes und dem Meer liegt, hat ihre Stadtmauer und alle Befestigungen wohl erhalten. Gewiß hat die Dekoration heute jeden Sinn verloren; denn drin liegt nichts anderes als draußen – aber unmittelbar vor der Mauer ist doch ein freier Raum, auf einer Seite sogar offnes Feld – und so entsteht denn die Fiktion, man habe es hier wirklich noch mit einer mauerbehüteten Stadt zu tun. (So, in dieser Form: Mauern, Zugbrücke und tiefer Graben – so denken heute noch viele Staatsmänner.) Die Festungstürme sind ganz dick, es gibt sechzehn Stück, mit richtigen Zinnen und Kugelspuren und allem Komfort. Die Mauern haben einen Durchmesser von drei Metern und gehen um die ganze Stadt, insgesamt fast zwei Kilometer; auf ihnen bin ich herumgegangen und habe auf das graue, schwach rötliche Dachgewirr der alten Häuser gesehen. Überal sind Pechnasen angebracht, diese alten Vertiefungen, von denen man Pech und geschmolzenes Blei und Steine und was man sonst noch so auf Fremde wirft, herunterstürzen konnte . . . Hier und da in einer verschwiegenen Ecke auch etwas, was man früher ›Privé‹ nannte. Vor den Mauern liegt, aber geschützt zu erreichen, der dicke Turm, die Tour de Constance, so genannt nach einer historischen Constanza. Er ist beinahe siebenhundert Jahre alt und scheint mit jedem Jahr dicker geworden zu sein – seine Mauern sind sechs Meter stark. Sie sind so dick, daß man unten, im Wachraum, die Fensteröffnungen, die in den Mauern liegen, zu Zellen ausgebaut hat. In diesen Zellen saßen Gefangene. Denn der Turm war einmal Staatsgefängnis, und er hat viele Hugenotten in seinen Mauern leiden sehen. Und auf einer Wand im Saal eines der oberen Stockwerke haben die Protestanten ihre Namen geschrieben, alle mit einem W – das bezeichnete zwei verschlungene V und hieß: Vae victis! Und auf einem Stein ist noch in dünner Schrift zu lesen: ›résister‹ . . .

Aigues-Mortes, Canal du Midi und Tour de Constance
Aigues-Mortes, Canal du Midi und Tour de Constance
Blick zurück nach Aigues-Mortes: Pont d'Arlois über den Canal du Midi
Blick zurück nach Aigues-Mortes: Pont d'Arlois über den Canal du Midi

Und einmal sind siebzehn Mann entwichen; Tag für Tag haben sie Steine gelockert und weggeschlagen, und während die einen das taten, sangen die anderen mit lauter Stimme Choräle, damit die Wachen nichts hörten . . . Und ein tiefer Keller ist da, in dem man Frauen sterben ließ – es ist alles wie bei Doré – nur wahr.

Durch den goldenen Herbsttag gehe ich ans Meer. Man muß zwei Stunden durch die Ebene gehen, am Kanal du Midi entlang, und blickt man hinter sich, so zeichnet sich die kräftige Silhouette der alten Festung am Himmel ab, wie damals. Aber man muß den Eisenbahndamm wegdenken.

Tucholskys "blecherne kleine Anstalten", die sogenannten Vespasiennes, gehören heute (leider?) der Vergangenheit an
Tucholskys "blecherne kleine Anstalten", die sogenannten Vespasiennes, gehören heute (leider?) der Vergangenheit an

Und in Avignon ist noch Herbst, in Avignon, wo die Päpste hausten, als sie Rom nicht gefielen und Rom ihnen nicht. Und wo sich Konkurrenzpäpste auftaten und einmal drei gegeneinander regierten. Die Stadt hat eine Dependance: das ist Villeneuve les Avignon – längs der Rhône liegen hüben und drüben diese alten Schlösser und gehören so dazu und schämen sich so gar nicht, altmodisch zu sein, als seien sie gestern gebaut. Man hat mit Maßen restauriert; ganz können das ja die Architekten nicht lassen, und wenn sie – wie das manchmal zu sehen ist – ›wiederherstellen‹, dann wird einem himmelangst und man denkt an den Bodo Ebhardt, der auftragsgemäß das Königlich Preußische Mittelalter wieder hervorzuzaubern hatte. Ganz so schlimm ist es hier nun nicht, und wenn man davon absieht, daß ebenso nötige wie blecherne kleine Anstalten so häufig den Aspekt ganzer großer Gebäude ruinieren (Achtung, Setzer!) – dann präsentiert sich das Land im Süden Frankreichs doch mit einer Fülle von gut erhaltenen und gepflegten Baudenkmälern.


Das Palais der Päpste in Avignon ist so eines. Jahrhunderte wurde daran herumgebaut, abgerissen, wieder aufgerichtet, gebrannt, eingerissen und zusammengekittet – das Ganze steht wie ein Trutzstein in der Stadt. Neben dem Palais eine Kirche, mit einer goldenen Mutter Gottes auf der Spitze, die segnend und schützend die Hände über ihr Haus breitet. Aber hinten, auf ihrem Rücken, läuft der eiserne Draht eines Blitzableiters. Sicherheitshalber.

Herbst ist in Avignon, es saust in den Bäumen, und wenn man die beiden großen Rhônebrücken passiert, so wird man fast in den strudelnden Fluß geweht, der rasch dahinfließt. Der Tag leuchtet, viele Bäume haben ihr stumpfes Grün aus dem Sommer behalten, viele haben flammendes Gelb und Hellbraun und betonen die Bläue des Himmels. Und wenn das blendende   Licht  um  alle  Konturen  zittert,  fühlt  man: Wie  schön  mag

Die Gottesmutter als Blitzableiter: Papstpalast in Avignon
Die Gottesmutter als Blitzableiter: Papstpalast in Avignon

dieses Land erst im Sommer sein! Welche Weichheit, welche Zärtlichkeit der Farben, welche Lieblichkeit! Man kann in der Provence die Kunstdenkmäler systematisch untersuchen, auf Stilreinheit, Baualter und Grundriß; man kann den Olivenhandel statistisch und tabellarisch darstellen, daß es nur so saust von Zahlen – man kann aber auch in diesem wunderschönen Lande spazieren gehen.

Rückkehr nach Paris, Gare de Lyon: Was ist schon eine der größten Turmuhren der Welt gegen das Licht und die Wärme des Südens?
Rückkehr nach Paris, Gare de Lyon: Was ist schon eine der größten Turmuhren der Welt gegen das Licht und die Wärme des Südens?

Abschied vom Frühling und Abschied vom Herbst. Der Zug fährt durch blaues Grau, dann durch Nacht. Der große Bahnhof taucht auf, mit einer leuchtenden Turmuhr. Ein rötlicher Glanzkreis schimmert um die elektrischen Lampen, die Reisenden nehmen den Raglan fester um – es ist kalt.

Ich sehe noch einmal die Strecke zurück, auf der ich gekommen bin, dankbar und glücklich. In den Augen ist noch der Schimmer des Lichts, in den Gliedern noch die Erinnerung an Glanz und Wärme. Zwischen Paris und Nizza liegt mehr Schönheit, als eure Amüsierweisheit sich träumen läßt! Noch einen Gruß in Gedanken . . . Da rufen die Zeitungshändler, da rollen die Taxis, da flirrt das Licht der Métrostationen, da liegt – winterlich, in den bunten Abendlichtern – Paris.

Peter Panter (Kurt Tucholsky), Vossische Zeitung, 13.01.1925